Bei Verstößen gegen die Datenschutz-Bestimmungen hat der Betroffene Recht auf Vergütung des erlittenen Schadens durch die verantwortliche Partei. In der AVG (niederländische Abkürzung für „Algemene Verordening Gegevensbescherming“, auf Deutsch: „Datenschutz-Grundverordnung“, DSGVO) wird der Begriff „Schaden“ weit interpretiert. Sinn der AVG ist es, dass ein Betroffener vollständige und tatsächliche Vergütung des von ihm erlittenen Schadens erhält. Müssen sich Unternehmen jetzt gegen eine Welle von Forderungen Betroffener wappnen?
Im vergangenen Jahr sind in den Niederlanden mehrere Verstöße gegen die Datenschutzbestimmungen vor Gericht gekommen. Obwohl in jedem dieser Verfahren festgestellt wurde, dass die Bestimmungen der AVG verletzt wurden, mussten die jeweiligen Betroffenen doch noch beweisen, dass sie Schaden erlitten hatten. Die Entscheidung, einen Schadenersatz zuzuerkennen, muss nach der Rechtsprechung sowohl unter Berücksichtigung der AVG als auch des niederländischen Schadensersatzrechts gefällt werden. Die Beweislast, die das niederländische Schadensersatzrecht dem Betroffenen auferlegt, macht es ihm oder ihr nicht leicht, den Schaden infolge eines Verstoßes gegen die AVG ersetzt zu bekommen.
Niederländisches Schadensersatzrecht
Nach niederländischem Recht kann der Betroffene sowohl materiellen als auch immateriellen Schaden fordern. Dies ist jedoch einfacher gesagt als getan. Der Betroffene muss zunächst seinen Schaden konkret angeben. Welcher materielle Schaden wurde erlitten? Leidet der Betroffene unter Stress infolge der Vorstellung, dass seine an die Öffentlichkeit geratenen Daten missbraucht werden könnten? Oder handelt es sich um Rufschädigung? Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie hoch der Schaden ist. Wie kalkuliert man zum Beispiel Rufschädigung? Als Drittes muss der kausale Zusammenhang zwischen dem von ihm erlittenen Schaden und dem Verstoß gegen die AVG durch den Verantwortlichen dargelegt werden.
Verstoß gegen die AVG in anderen Ländern
In anderen Ländern wird mit AVG-Schaden anders umgegangen. So wurde kürzlich in England Schadensersatz einzig und allein wegen eines Verstoßes gegen die AVG zuerkannt. Das Gericht erwog in diesem Fall, dass dem Betroffenen eine Vergütung zusteht, auch wenn kein Schaden nachgewiesen werden kann.
Es gibt Gründe dafür, dass der pure Verstoß gegen die Verpflichtungen aus der AVG für die Schlussfolgerung ausreichend sein muss, dass der Schaden eines Betroffenen vergütet werden muss. Schließlich ist Artikel 82 AVG folgendermaßen formuliert: Verstoß gegen die Datenschutz – Bestimmungen in der AVG führt zu einem Schadensersatzanspruch des Betroffenen.
Wenden die niederländische Gerichte die AVG korrekt an?
Wie verhält sich die verschuldensunabhängige Haftung in der AVG zu der verschuldensabhängigen Haftung im niederländischen Recht? Kann es sein, dass der Betroffene durch das nationale Recht eine „vollständige und tatsächliche“ Vergütung des von ihm erlittenen Schadens auf Grund eines Verstoßes gegen die AVG erhält? Das ist schließlich die Absicht der AVG. Eine Antwort auf diese Frage muss vom Europäischen Gerichtshof gegeben werden. Der Gerichtshof kann hierzu jedoch erst ein Urteil fällen, wenn die nationalen Gerichte dem Gerichtshof Vorabentscheidungsfragen gestellt haben.
Sammelklage und verschuldensabhängige Haftung AVG
Das „Wet afwikkeling massaschade collectieve actie“ (Abkürzung: WAMCA, Gesetz zur Schadensabwicklung mittels Sammelklage), das zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, macht es möglich, in einer Sammelklage Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die AVG zu fordern. Die Vorteile einer Sammelklage bestehen darin, dass die oft hohen Kosten geteilt werden können und die Betroffenen Sachverständige hinzuziehen können, um den Umfang des Schadens und die Kausalität darzulegen. Mittels einer Sammelklage kann der Druck auf die Verantwortlichen erhöht werden, was dazu führen kann, dass dieser schneller zu einer außergerichtlichen Regelung bereit ist.
Jedoch müssen die Betroffenen, genau wie in einem individuellen Verfahren auch bei Sammelklage ihren Schaden konkret angeben, sein Umfang muss bewiesen und die Kausalität muss aufgezeigt werden.
Risiko auf Massenklagen wegen Verstößen gegen die AVG beschränkt
Müssen Unternehmen ernsthaft mit Sammelklagen von Betroffenen auf Grund des Verstoßes gegen die AVG rechnen? Das Risiko hierauf scheint beschränkt, solange die niederländischen Richter bei Verstößen gegen die AVG die „vollständige und tatsächliche“ Vergütung unter Berücksichtigung des niederländischen Schadensersatzrechts feststellen. Dennoch müssen Betriebe ihre Verpflichtungen bezüglich des Schutzes der personenbezogenen Daten ernst nehmen. Vorbeugen ist noch immer besser als heilen.