Dürfen sensible, personengebundene Daten, wie zur Gesundheit, von Arbeitnehmern, die (möglicherweise) mit Corona infiziert sind, verwendet werden?
Auch während der Corona-Krise zeigt sich der Zwiespalt in der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO (in den Niederlanden AVG – Algemene Verordening Gegevensbescherming). Einerseits wurde die AVG nicht dazu gemacht, um bei der Bekämpfung des Virus Probleme zu erzeugen. Andererseits scheint die AVG dies in der Praxis wohl zu tun. Die AVG verbietet grundsätzlich die Verarbeitung von unter anderem Gesundheitsdaten. Erschwert dies die Begleitung von Arbeitnehmern, und behindert es das schnelle Eingreifen von Arbeitgebern, um die Verbreitung des Virus im Unternehmen zu verhindern?
Der Europäische Datenschutzausschuss EDPB (European Data Protection Board), die europäische Datenschutzaufsichtsbehörde, hat in einer kürzlich veröffentlichen Erklärung betont, dass die AVG Arbeitgebern die Möglichkeit bietet, Daten über Corona-Infektionen im Rahmen der Bekämpfung der Pandemie doch verarbeiten zu können. Laut EDPB können sich Arbeitgeber auf die Erfüllung einer Pflicht für die Allgemeinheit im Rahmen der Volksgesundheit oder auf den Schutz von lebenswichtigen Interessen berufen.
Die niederländische Datenschutzbehörde AP (Autoriteit Persoonsgegevens) vertritt jedoch eine sehr strenge Auffassung, was den Gebrauch von Gesundheitsdaten im Verhältnis Arbeitgeber zu Arbeitnehmer betrifft. Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer nicht nach dem Grund ihrer Krankmeldung fragen, und auch Betriebsärzte dürfen prinzipiell dem Arbeitgeber gegenüber keine Mitteilung von Gesundheitsdaten zur Art der Erkrankung des Arbeitnehmers machen.
Wie kann man die Erklärung des EDPB mit der strengen Auffassung der niederländischen Datenschutzbehörde in Einklang bringen? Der EDPB scheint die restriktive Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Zusammenhang mit Corona etwas gelockert zu haben, aber eine konkrete Umsetzung in die (niederländische) Praxis fehlt.
Darum fassen wir hiernach die wichtigsten, zurzeit geltenden Ausgangspunkte zusammen.
Darf man als Arbeitgeber Arbeitnehmer auf eine Corona-Erkrankung kontrollieren?
Auch während der Corona-Krise vertritt die niederländische Datenschutzbehörde AP weiterhin und ganz allgemein den Standpunkt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht auf eine Corona-Erkrankung kontrollieren darf und ihn (sogar) nicht fragen darf, ob er mit Corona infiziert ist.
Aber was darf ein Arbeitgeber dann?
Obwohl die Regeln zum Schutz der Privatsphäre immer noch sehr streng sind, stehen dem Arbeitgeber einige andere (beschränkte) Mittel zur Verfügung, die eingesetzt werden können, um die Folgen von Corona im Unternehmen dennoch so viel wie möglich einzudämmen.
So ist es dem Arbeitgeber gestattet,
- einen Arbeitnehmer mit Erkältungssymptomen oder Anzeichen einer Grippe, und auch schon bei diesbezüglichen Zweifeln, nach Hause zu schicken oder ihm anzuordnen, nicht zur Arbeit zu kommen;
- den Arbeitnehmer zu bitten, seine Gesundheit zu beobachten und bei sich selbst eventuell (auch während der Arbeit) Fieber zu messen;
- darauf zu bestehen, dass der Arbeitnehmer bei gesundheitlichen Beschwerden in einem frühen Stadium Kontakt mit dem Betriebsarzt aufnimmt;
- den Betriebsarzt zu fragen, den Arbeitnehmer durch das niederländische Gesundheitsamt (Gemeentelijke Gezondheidsdienst, GGD) auf Corona testen zu lassen.
Ausnahmen für spezielle Kategorien von Arbeitgebern?
Für Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeheimen gelten inzwischen allerdings abweichende Maßnahmen, sofern diese in der Krankenpflege sowie der Pflege von alten oder mit hohem Risiko behafteten Personen beschäftigt sind. Für diese Bereiche hat die Politik bereits weitreichendere Kontrollmöglichkeiten von Arbeitnehmern auf Corona-Erkrankung gestattet. Seit dem 6. April 2020 werden außerdem mehr Tests durchgeführt. Nun können auch Mitarbeiter in der Behindertenbetreuung, häuslichen Pflege, Kinder- und Jugendhilfe und psychischen Gesundheitsfürsorge (Geestelijke Gezondheidszorg, GGZ) getestet werden.
Diese Maßnahmen passen bei der hiervor genannten Erklärung des EDPB und entsprechen der niederländischen Datenschutzverordnung AVG, da darin bestimmt ist, dass die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch den Arbeitgeber gestattet ist, soweit dies im Interesse der Sicherheit und Qualität in der Pflege ist, den lebenswichtigen Interessen von schutzbedürftigen anderen oder der Verwaltung der entsprechenden Einrichtungen.
Die niederländische Datenschutzbehörde AP erwähnt übrigens nichts zu Ausnahmesituationen.
Was ist zu tun, wenn ein Arbeitgeber weiß, dass ein Arbeitnehmer infiziert ist?
Im Rahmen der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sowie auch im Interesse der Allgemeinheit darf man als Arbeitgeber den anderen Arbeitnehmern mitteilen, dass ein Arbeitnehmer infiziert ist, solange man nicht erzählt, um wen es sich handelt.
Was bedeutet dies alles für die Praxis?
Obwohl die Möglichkeiten des Arbeitgebers, Gesundheitsdaten verarbeiten zu dürfen, außer in Ausnahmesituationen, immer noch beschränkt sind in den Niederlanden, hat er doch einige Mittel zur Verfügung, die Risiken der Corona-Erkrankung im Unternehmen einzudämmen. So kann vom Arbeitnehmer eine aktive Selbstkontrolle verlangt werden und darf der Arbeitgeber schon bei einem (eventuellen) Verdacht auf die Corona-Erkrankung den Arbeitnehmer vom Arbeitsplatz fernhalten.
Daneben kommt jedoch dem Betriebsarzt eine wichtige Rolle zu. Es wird daher empfohlen, Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass sie schon bei leichten gesundheitlichen Beschwerden den Betriebsarzt aufsuchen sollten. Darüberhinaus kann der Arbeitgeber den Betriebsarzt bitten, den Gesundheitszustand von gesunden Arbeitnehmern in bestimmten Abständen (telefonisch) zu folgen und kranke Arbeitnehmer gezielt auf Corona-Symptome zu überwachen und, falls nötig, testen zu lassen. Damit kann eine Vermutung oder Bestätigung einer Corona-Infizierung so schnell wie möglich erkannt werden und das Risiko auf weitere Verbreitung im Unternehmen eingeschränkt werden.
Im Übrigen werden die durch die Regierung getroffenen Corona-Maßnahmen immer noch weiter entwickelt. Wir werden daher die Veränderungen für den Arbeitgeber, die sich auf den Datenschutz beziehen, weiter folgen und Sie darüber informieren.
Bitte nehmen Sie bei Fragen und juristischen Rat Kontakt auf mit:
Frau A. Dumoulin – Siemens (Datenschutzrecht)
M: +31 6 82 51 95 91
Herr R. Kütemann (Arbeitsrecht)
M: +31 6 21 21 20 80