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Eine neue (vorläufige) Regelung zur Turboliquidation

Eine neue (vorläufige) Regelung zur Turboliquidation 525 400 Ekelmans Advocaten
Auflösung einer juristischen Person
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Die Turboliquidation, die vereinfachte Auflösung einer juristischen Person, gibt es nur in den Niederlanden. In anderen Ländern wie Deutschland oder England hat ein Geschäftsführer diese Möglichkeit nicht. Bei ‘niederländischen’ Geschäftsführern ist es im Übrigen ein begehrtes Instrument: 2022 fanden 36.456 (!) Turboliquidationen statt. Es stellt sich die Frage, ob das `Tijdelijke Wet Transparantie Turboliquidatie´ (Vorläufiges Turboliquidation Transparenzgesetz) diesen Geschäftsführern die Suppe versalzen wird. Am 15. November 2023 trat das (auf den ersten Blick restriktive) Vorläufige Turboliquidations-Transparenzgesetz in Kraft. Wird die Turboliquidation für den Geschäftsführer einer niederländischen BV oder NV dann noch immer von Interesse sein?

Das schnelle und einfache Liquidieren einer juristischen Person wird bald (teilweise) eingeschränkt. Am 14. März 2023 hat die Erste Kammer (vergleichbar dem Bundesrat) nämlich dem Gesetzesentwurf `Tijdelijke wet transparantie turboliquidatie´ zugestimmt. Grund für dieses Gesetz soll die Tatsache gewesen sein, dass die Turboliquidation durch den Ausbruch der Corona-Pandemie betrugsanfälliger geworden ist. Ziel des Gesetzes ist es, Gläubigern, die derzeit nach einer Turboliquidation im Ungewissen gelassen werden, mehr Transparenz zu bieten. Das Gesetz hat eine Laufzeit von zwei Jahren, und es besteht die Option, es um weitere zwei Jahre zu verlängern. Am 15. November 2023 trat das Vorläufige Turboliquidations-Transparenzgesetz in Kraft.

Die Turboliquidation ist ein Instrument, das es im Ausland nicht gibt. Holdings aus z.B. Deutschland oder England gebrauchen dieses Instrument gerne, um ihre niederländische Unternehmen auf eine einfache Weise umzustrukturieren oder aufzulösen.

Wie wirkt Turboliquidation eigentlich?

Die heutigen Voraussetzungen für eine Turbo-Liquidation einer Gesellschaft sind einfach. In jedem Fall muss es sich um eine Situation handeln, in der die Gesellschaft kein Vermögen mehr hat (also kein Inventar, keine liquiden Mittel und auch keine offenstehenden Forderungen). Die Geschäftsführer erreichen dies, indem sie die Gesellschaft vor der Turboliquidation ‘leer machen’. Anschließend können die Gesellschafter einen Auflösungsbeschluss fassen, womit die Gesellschaft aufgelöst wird. Normalerweise beginnt dann die Phase der Liquidation des Nachlasses. Bei einer Turboliquidation wird diese Phase überschlagen, da die Gesellschaft bereits „leer“ gemacht wurde. Die Gesellschaft hört darum sofort auf zu bestehen.

Was ändert sich für den Geschäftsführer der Gesellschaft?

Die bestehenden Voraussetzungen für die Turboliquidation einer Gesellschaft verändern sich nicht. Aber: der Geschäftsführer muss jetzt einige zusätzliche Handlungen vornehmen. Nur die Meldung der Turboliquidation bei der `Kamer van Koophandel` (Handelskammer) ist nicht mehr ausreichend. Der Geschäftsführer muss nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes nämlich auch ergänzende Dokumente einreichen und die Gläubiger informieren:

  • eine Bilanz und eine Übersicht über das Vermögen und die Verpflichtungen der Gesellschaft über das Jahr, in dem die juristische Person aufgelöst worden ist und über das vorhergehende Geschäftsjahr, wenn zum Zeitpunkt der Auflösung von diesem Jahr noch kein Jahresabschluss erstellt worden ist;
  • eine Beschreibung der Ursachen für das Fehlen von Vermögen;
  • eine Beschreibung, wie das Vermögen der Gesellschaft zu Geld gemacht und wie der Ertrag verteilt worden ist;
  • eine Erläuterung der Gründe, warum der (die) Gläubiger ganz oder teilweise keine Zahlungen erhalten haben.

Darüber hinaus muss die Geschäftsführung die Jahresabschlüsse der vorhergehenden Geschäftsjahre deponieren, falls sie dies noch nicht getan hat. Außerdem muss die Geschäftsführung die Gläubiger über die Tatsache informieren, dass sie die Dokumente bei der ´Kamer van Koophandel` deponiert hat und die juristische Person liquidiert wurde.

Die Idee hinter diesen Verpflichtungen ist es, die Gläubiger so schnell wie möglich von der Liquidation zu informieren. Wenn die Geschäftsführung diesen Verpflichtungen nicht nachkommt, ist dies ein Wirtschaftsdelikt, auf das eine Strafe von maximal sechs Monaten Haft, eine gemeinnützige Arbeit oder eine Geldstrafe in Höhe von maximal € 22.500,- steht.

Was ist, wenn Gläubiger benachteiligt wurden?

Wenn sich später herausstellt, dass Geschäftsführer einen oder mehrere Gläubiger durch die Liquidation benachteiligt haben, kann das Landgericht den Geschäftsführern ein Verbot zur Ausübung einer Geschäftsführertätigkeit von maximal fünf Jahren auferlegen. Dazu muss eine Situation vorliegen, in der:

  • die Geschäftsführer nicht die erforderlichen Dokumente bei der ‘Kamer van Koophandel’ hinterlegt und die Gläubiger nicht über die Liquidation informiert haben;
  • die Geschäftsführer im Vorfeld der Turboliquidation bewusst Handlungen vorgenommen haben, mit denen einer oder mehrere Gläubiger benachteiligt wurden;
  • die Geschäftsführer bereits zuvor zweimal an einem Konkurs oder einer Turboliquidation beteiligt waren und ihnen dies persönlich zugerechnet werden kann.

Die Turboliquidation bleibt trotz der neuen Anforderungen ein nützliches Instrument

Durch das neue Gesetz unterliegt die Turboliquidation einigen zusätzlichen Anforderungen. Dennoch bleibt die Turboliquidation eine günstige Art, juristische Personen aufzulösen oder Gesellschafter müssen sich daher auch nicht durch diese neuen Anforderungen aufhalten lassen. Das Gesetz soll Mißbrauch bekämpfen und nicht Gesellschafter abhalten, die in aller Ehrlichkeit eine schnelle Auflösung vornehmen möchten.

Beabsichtigen Sie, in nächster Zeit eine juristische Person aufzulösen? Und möchten Sie mehr Informationen über eine Turboliquidation erhalten? Oder haben Sie andere Fragen zum niederländischen Unternehmensrecht? Nehmen Sie dann gerne Kontakt für ein unverbindliches Beratungsgespräch mit mir auf.

Mit dieser Infografik erfahren Sie, welche Schritte Sie bei der Auflösung einer juristischen Person durchlaufen.

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Der Autor

Pim Lieffering ist im Unternehmensrecht tätig. Er beschäftigt sich mit allen Aspekten des Unternehmensrechts, vom Aufstellen eines Vertrages bis hin zum Prozessieren bei Wirtschaftsverträgen, aber auch mit der Begleitung von Fusionen und Übernahmen. Bekommt Pim Lieffering ein Problem vorgelegt, hat er immer auch das große Ganze im Blick. Indem er etwas weiter schaut, überrascht er seine Mandanten oft mit kreativen Lösungen.

Die Verwendung der Gesichtserkennung durch den Arbeitgeber: Ist das wirklich erlaubt?

Die Verwendung der Gesichtserkennung durch den Arbeitgeber: Ist das wirklich erlaubt? 2560 1707 Ekelmans Advocaten
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Immer öfter setzen Unternehmen die Gesichtserkennung zur Identifizierung und Verifizierung von Mitarbeitern in der Zutrittskontrolle ein. Die niederländische Allgemeine Datenschutzverordnung (AVG) enthält Regeln für die Verarbeitung dieser sogenannten biometrischen Personendaten.

Das Ausführungsgesetz (UAVG) enthält hierzu nähere Bestimmungen. Es ist fraglich, inwieweit Arbeitgeber angesichts dieser Datenschutzbestimmungen diese biometrischen Personendaten von Arbeitnehmern nutzen können.

Was sind biometrische Daten?

Die AVG klassifiziert die Daten aus der Gesichtserkennung als biometrische Personendaten. Biometrische Daten sind Daten, die das Ergebnis einer spezifischen technischen Verarbeitung von physischen, physiologischen oder Verhaltensmerkmalen einer Person sind (Art. 4 Abs. 14 AVG). Kurz gesagt, es handelt sich um Daten, die die Identifizierung einer Person ermöglichen oder eine Identität bestätigen.

Verbot laut AVG

Nach Ansicht des Gesetzgebers stellt die Verarbeitung der Gesichtserkennung zum Zwecke der eindeutigen Identifizierung eine große Gefahr für die Grundrechte und -freiheiten der betroffenen Personen dar. Neben der Identität kann nämlich auch aus bestimmten Körpermerkmalen abgeleitet werden, wie z. B. der Gesundheitszustand von jemanden ist. Diese biometrischen Personendaten unterliegen daher strengen Regeln. Hauptregel in Bezug auf besondere personenbezogene Daten ist, dass deren Verarbeitung verboten ist, es sei denn, mindestens eine der in der AVG ausdrücklich genannten Ausnahmen ist erfüllt (Art. 9 AVG).

Es ist laut AVG verboten, es sei denn …

Die AVG sieht eine Reihe von Ausnahmen vor, von denen zwei im Zusammenhang mit der Gesichtserkennung von Bedeutung sind. Ein Beispiel für eine solche Ausnahme ist die Situation, in der die betroffene Person ihre Einwilligung zur Verarbeitung ihrer persönlichen Daten gegeben hat. Laut Gesetzgeber muss diese Zustimmung jedoch „aus freiem Willen“ erteilt worden sein und muss auf einfache Weise widerrufen werden können. Diese Voraussetzung der „aus freiem Willen“ erteilten Zustimmung wird jedoch in einem Arbeitgeber-/Arbeitnehmer-Verhältnis kaum jemals erfüllt sein. Denn der Gesetzgeber hat hierzu erklärt: „Gerade im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird der Arbeitnehmer jedoch in der Praxis kaum seine Zustimmung verweigern können, zumal wenn der Zugang zu bestimmten Orten für die Ausübung der Tätigkeiten erforderlich ist, insbesondere der Zugang zu bestimmten Orten, Gebäuden, Ausrüstung und Informationssystemen“.

Eine weitere Ausnahme betrifft die Gesichtserkennung, die aus Gründen des besonderen öffentlichen Interesses erforderlich ist. So gilt beispielsweise das Verbot der Verarbeitung biometrischer Daten nicht, wenn die Verarbeitung für Echtheitsprüfung oder Sicherheitszwecke erforderlich ist. Dies unterliegt jedoch einer strengen Prüfung. Laut Gesetzgeber ist dies für solche Situationen gedacht, in denen Gebäude oder Informationssysteme ein so hohes Maß an Schutz erfordern, dass dies mit Hilfe der Biometrie geschehen muss.

Darüber hinaus weist der Gesetzgeber darauf hin, dass Biometrie zur Sicherung von Informationssystemen verwendet werden kann, die ihrerseits viele personenbezogenen Daten enthalten und bei denen ein unrechtmäßiger Zugriff, auch von Mitarbeitern, verhindert werden muss. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich auf die Pflicht von Organisationen hingewiesen, technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der persönlichen Daten zu ergreifen (Art. 32 AVG).

AP-Richtlinien für besondere Anwendungen

Weiterhin hat die Behörde für personenbezogene Daten (AP) inzwischen Richtlinien für besondere Anwendungen der Gesichtserkennungstechnologie aufgestellt, z.B. Standardrichtlinien für digitale Plakatwände und Standardrichtlinien für Supermärkte. Hier gibt die AP für bestimmte besondere Situationen an, unter welchen Umständen der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie möglicherweise legitim sein könnte.

Gesichtserkennung für Arbeitgeber

Wenn Sie als Arbeitgeber die Gesichtserkennung einsetzen wollen, seien Sie vorsichtig. Die Verwendung biometrischer Daten ist im Rahmen der AVG nicht unmöglich, es gelten jedoch strenge Regeln. Die Verwendung dieser Daten ist nur möglich, wenn sie wirklich erforderlich ist und es keine anderen, weniger einschneidende Möglichkeiten gibt.

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